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03. Februar 2021

Das Wort Gefühle könnte als Aufforderung verstanden werden: geh’ und fühle! Und diese Aufforderung braucht es meinem Empfinden nach immer mehr. Die Schnelligkeit in unserem Alltag, die andauernden Reize und Informationen, kein (ab)Warten mehr, sofortige Bedürfnisbefriedigung, Selbstbezogenheit, Egoismus verbreitet sich auffällig schnell und lässt kalt werden gegenüber anderen. Sich nicht einlassen auf jemanden, sich nicht interessieren für die andere, keine Fragen mehr stellen, sind Standard. Reine Lustorientierung und Unlustbeseitigung bestimmen den Kontakt zu anderen. Die andere ist Bemühen und Dranbleiben nicht wert, Wertigkeiten, die es bräuchte, um in Beziehung zu kommen. Zeitverschwendung! Wenn es nicht passt, dann weg damit, nichts investieren vor allem keine Gefühle.

Gefühle werden nicht zugelassen, sie werden weggedröhnt, in Sport ertränkt, im Rausch der Likes auf Instagram verdrängt. Den unterkühlten Fake wahren und schön an der Oberfläche bleiben, denn was in der Tiefe lauert könnte überwältigen. Und wen würde es auch wirklich interessieren, wie es einem geht? Und könnte überhaupt jemand damit umgehen? Könnte ich damit umgehen?

Ich als Betroffene, ich sage euch: Ich fühle! Und ich fühle stark! Und als Fühlende kann ich sagen: ja, es ist oft heftig - von heftig schön bis heftig traurig!

Die Tränen der Freude aus Dankbarkeit, weil meine Freundin mir ein Jahr lang jeden Tag eine „guten Morgen“ Nachricht geschickt hat, nachdem ich verlassen wurde, sind auch Tränen des Schmerzes, die mir zuvor zugefügt wurden. Herzrasende Fassungslosigkeit, als ich von heute auf morgen gleichgültig, gnadenlos, ohne ein nachvollziehbares Kommentar, ignoriert werde, tut höllisch weh und hat mich irreführend dazu gebracht, mich selbst in Frage zu stellen. Zittrige Knie vor freudvoller Aufregung bei der Umarmung meines Kusins zu haben, im Moment vor der Kirche, unmittelbar nachdem er geheiratet hat, hat mich beflügelt. Herzzerreißende Liebe, wenn meine Schwester wortlos meine Hand nimmt, wenn mir in einem scheinbar freudvollen Moment die Tränen das Gesicht runterkullern, weil sie mein Herz in ihrem trägt, sprengt meines vor Zuneigung. Melancholische Stille, wenn ich mich am letzten Urlaubstag vom Meer, meinem heilbringendem Lieblingsort, verabschiede und nicht weiß, wann und ob ich wiederkomme, macht mich nachdenklich und meine Seele traurig. Friedvolle, herzerwärmende Erleichterung und Dankbarkeit, weil meine Freundin mir in einer schicksalhaften Situation einen mitfühlenden Brief schreibt, nachdem wir uns jahrelang nicht gesehen haben. Ein zögerliches „ich hab dich lieb“ von meiner Oma bedeutet mir die Welt.

Gefühle fühlen ist nicht immer leicht, aber das macht uns und das Leben aus! Und macht das Leben bunt und schillernd!

Ich bin ein emotionaler Mensch und ich spreche über meine Gefühle. Ich verstecke mich nicht und ich verliere auch keinen Zacken aus meiner Krone, wenn ich ausspreche, wie ich mich fühle. Auch wenn die (oder häufig der) andere es in dem Moment gleichgültig abtut und sich cool geben möchte, weil sie (oder häufig er) unbeholfen ist, bewahre ich meine Authentizität und bleibe mir treu!

Und wenn ich sage: du hast mich verletzt, du hast mir wehgetan, das möchte ich so nicht. Und auch wenn ich sage: ich mag dich, du bedeutest mir was, du bist mir wichtig, du spielst in meinem Leben eine Rolle. Geht frau dabei ein Risiko ein, weil die Gefühle vielleicht nicht erwidert werden oder unverstanden bleiben? Vielleicht. Mir kommt es heutzutage oft so vor, dass es am besten wäre und mitunter auch erwartet wird, emotional distanziert und unbetroffen zu sein, um den anderen nicht in eine möglicherweise unangenehme Situation zu bringen: mit Gefühlen konfrontiert zu werden. Weil dann müsste man sich ja vielleicht mit sich selbst auseinandersetzen, sich Gedanken machen über sich oder noch viel schlimmer über die andere. Das könnte anstrengend werden, mich aus der Komfortzone katapultieren, mein Herz berühren, verletzen. Das Überraschungsei der heutigen „Beziehungen“: Unverbindlichkeit, Ungebundenheit, Spiel, Spaß und Sex.

Aber was riskiere ich, wenn ich zu meinen Gefühlen stehe, nur weil die oder der andere es vielleicht nicht kann? Das Risiko, verletzt zu werden. Aber am verletzendsten ist es doch, wenn ich meine Gefühle unterdrücken muss, mich distanziert geben soll, mich emotional unbetroffen und unbeteiligt und gleichgültig präsentieren soll. Wie trist und einsam sind zwischenmenschliche Kontakte ohne die bunte Vielfalt aller Gefühle, die uns lebendig machen?

Und wenn frau keine Gefühle mehr für ihr Gegenüber hat oder diese nicht zeigt, was macht das mit uns und unserer Gesellschaft? So werden wir zu leicht austauschbaren Konsumgütern. Passt nicht, kann weg, es gibt viel Anderes, Besseres. Willst du Gefühle von mir, dann lauf ich davon (blockieren, ghosten these days). Emotionale Distanz ist das Kriterium der Stunde, um überhaupt in Kontakt zu kommen (paradox par excellance) und mehr wird es auch nicht, das sei von vornherein klar gestellt. Erfüllst du meine Erwartungen (im Sinne von erwarte dir nichts) nicht (a la Kundinnenunzufriedenheit), wirst du ausgetauscht. Partnerinnen-Shopping, Sex-Shopping, Tinder sei Dank!

Die Frage ist: willst du das wirklich so für dich? Willst du das tolerieren, wenn du so etwas an dir erlebst? Schützt es dich wirklich und wenn ja, wovor?

Meine Empfehlung: bleibt on - Emotion!

Genießt jede einzelne, funkelnde Gefühlsregung mit jeder Zelle eures Seins, bis tief in jede Herzfaser, ob heil oder angekratzt. Ihr werdet es nicht bereuen, es wird euch bereichern! Und am Ende könnt ihr sagen: ich habe gefühlt!

by aheadfullofglitter